07.10.2024
Begrüßung im Gottesdienst der zentralen Gedenkveranstaltung zum 7. Oktober 2023 von Bischof Christian Stäblein in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu Berlin am 7. Oktober 2024
Berlin, 07. Oktober 2024 – Schalom uvracha, toda schä batem. Frieden und Segen, Danke, dass Ihr gekommen seid. Ich grüße Sie alle herzlich im Namen Gottes, der Leben will und Leben schafft, der uns behüten will in aller Not und der sein Licht leuchten lässt auf all unseren Wegen. Sein Licht. Schalom uvracha, Frieden und Segen. Was für ein Paar. Gibt es wohl nur zusammen, das spüren wir. Frieden und Segen! ----
Wir sind hier zum Gedenken versammelt. Aber das klingt, als wäre irgendetwas abgeschlossen. Das ist es nicht, gar nicht. Vor allem Begrüßen steht das Denken an die, die weiter als Geiseln verschleppt sind, gefangen gehalten, gefoltert werden, die irgendwo in den Tunneln in Gaza darauf hoffen, dass sie frei kommen, dass sie überleben, dass sie ins Leben zurück kehren. Ich sage als Erstes heute: Da sind unsere Gedanken, un-ser Sehnen, da ist unser Herz. Wir vergessen euch nicht. ---
Schalom uvracha, Frieden und Segen, das ist eine Grußformel, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht, möge das über uns stehen heute in jedem Gruß. Wir begrüßen den Bundespräsidenten, Frank Walter Steinmeier, und mit ihm Sie, liebe Frau Büdenbender. Danke, dass Sie heute hier zu uns sprechen, Herr Bundespräsident. Wir begrüßen die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas, schalom uvracha. Wir begrüßen den israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, willkommen in diesem Haus. Wir begrüßen den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, auch Ihnen Dank, dass Sie da sind. Wir begrüßen die Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock, wir begrüßen den Regierenden Bürgermeister dieses Landes Berlin, Kai Wegner, und die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Cornelia Seibeld, wir begrüßen Senatoren, Abgeordnete, Exzellenzen und Eminenzen, seien Sie alle begrüßt, unsere Geschwister, lieber Erzbischof Koch, unsere Freunde, lieber Imam Sanci und liebe Seyan Ates, unsere Partner vom Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin. Ich begrüße ganz besonders Rabbiner Prof. Andreas Nachama, Du wirst heute zu uns predigen. Vor einem Jahr, am Sonntag der Woche nach dem 7. Oktober, haben wir in dieser Kirche zusammen eine erste Gedenkandacht gestaltet im Spüren des Schreckens und der unmessbaren Trauer, heute bin ich dankbar, dass Du wieder da bist. Im Anschluss gehen wir zusammen zum Jüdischen Zentrum in der Fasanenstraße, ich begrüße von Herzen den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, holchim bejachad – wir gehen zusammen, sie gingen zusammen, eine überaus wichtige Stelle im Tanach, meint Abraham und Isaak, soll meinen heute: Euch und uns, anachnu holchim bejachad, wir gehen zusammen. Schließlich und vor allem begrüßen wir Alon Gat aus dem Kibbuz Beeri in Israel. Ihre Frau, Adon Gat, wurde als Geisel genommen und ist im November zurück gekehrt. Ihre Schwester war bis vor Wochen in Geiselnahme und ist dann brutal ermordet worden von den Terroristen. Alon Gat, anachnu omdim lezidcha, bochim itcha, zoakim itcha, schoalim itcha, wir sind an Deiner Seite, weinen, schreien, fragen mit Dir. Und sagen: Lasst die Geiseln frei, endlich frei! Macht dem Terror ein Ende. Jetzt. Sofort. Achschaw. Mijad.
Zum Gedenken und im Wissen, dass es noch immer nicht vorbei ist, dieser 7. Oktober – Nathan Sznaider hat das gesagt: wir sind am 6. Oktober schlafen gegangen und am 7. Oktober aufgewacht. Und wir sind am 7. Oktober schlafen gegangen. Und wieder am 7. Oktober aufgewacht. Und wieder. –
Seien Sie alle herzlich gegrüßt, alle, Bürgerinnen und Bürger, Damen und Herren, Schwestern und Brüder. Ein Haus wie dieses ist dafür da, Gedanken und Gefühle vor Gott zu tragen. Unser Erinnern an vor einem Jahr. Das Massaker vom 7. Oktober. Das Morden und Töten in unvorstellbarer Weise. Seit der Schoa einmalig. Unaussprechlich. Aber wir müssen es sagen, auch um denen entgegen zu treten, die es leugnen oder sich über die Toten erheben und gar jubeln. Ein Haus wie dieses ist dafür da, das laut zu machen. Und auch alles, was seitdem ist. Das Leid der Vielen. Im Süden. Im Norden Israels. In der Mitte. Das Leid der Vielen, in Gaza, in Rafah. Die Tränen der Kinder, der Hunger, die Zerstörung, der Schrecken, die Toten, wir weinen mit, aber ja, das Leid berührt uns zutiefst, trifft uns, das Leid der Palästinenser und der Menschen im Libanon, als erstes berührt es die Israelis selbst, denn – und das will ich deutlich sagen – all das Leid ist verantwortet von der Hamas und der Hisbollah. Sie verantworten das Leid, das nicht enden will. Die Sicherheit der Bürger Israels, der Menschen in Israel, des Staates Israel steht für uns ganz vorne. Es gibt keine Ansprache von mir, in der alles wohlfeil in gleiche Abstände rückt und sich ein giftiges „Ja, aber“, gar ein Aufrechnen einschleicht, das wäre billig, heute wäre es unerträglich. Wir erinnern den Schrecken dieses Tages vor einem Jahr. Wir erleben schrecklichen und weiter erstarkenden Antisemitismus in diesem Land – seit dem 7. Oktober in nicht mehr gekannter Weise. Bedrohungen, Herabwürdigungen, Verächtlichmachungen, Kennzeichnungen, üble Reden, Hetze, Schmierereien, Versuche zu verdrängen, Übergriffe. Wir werden das nicht zulassen, uns nicht daran gewöhnen, wir werden nicht aufhören, uns dem Antisemitismus entgegen zu stellen, laut, und zu sagen und zu tun, worum es geht: schalom uvracha lachem, Frieden und Segen Euch, unseren jüdischen Geschwistern, Gottes Augapfel, Gottes Volk. Wer sie antastet, tastet uns alle an. Eine Kirche, eine Gesellschaft, die das missachtet, wird blind. Nie wieder ist jetzt, schon lange jetzt, heute lauter denn je. Wir stehen an der Seite Israels.
Danke, dass Ihr da seid und wir das zusammen bekennen. Danke, dass wir gemeinsam aus den verschiedenen Religionen an diesem Ort heute füreinander beten. Schalom uvracha. Frieden und Segen für diese Stunde, für diese Stadt, schalom alenu we al kol jisrael. Frieden über uns und über ganz Israel. Und über alle Welt, über alle Kinder dieser Welt. Danke!
Pressestelle
Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-
schlesische Oberlausitz
Georgenkirchstraße 69
10249 Berlin
Tel 030 · 2 43 44 - 382
presse
www.ekbo.de