18.12.2017
Anlässlich der in Berlin wiederentdeckten Begräbnisstätte des in deutscher NS-Haft verstorbenen polnisch-evangelischen Bischofs Juliusz Bursche (1862 – 1942), planen die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesiche Oberlausitz (EKBO) gemeinsam mit den Nachfahren von Bischof Bursche eine Gedenkandacht auf dem Städtischen Friedhof in der Humboldtstraße in Berlin-Reinickendorf am 20. Februar 2018.
Berlin, 18. Dezember 2017 – Anlässlich der in Berlin wiederentdeckten Begräbnisstätte des in deutscher NS-Haft verstorbenen polnisch-evangelischen Bischofs Juliusz Bursche (1862 – 1942), planen die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesiche Oberlausitz (EKBO) gemeinsam mit den Nachfahren von Bischof Bursche eine Gedenkandacht auf dem Städtischen Friedhof in der Humboldtstraße in Berlin-Reinickendorf am 20. Februar 2018. Dazu erklären gemeinsam im Namen der Familie Bursche, Prof. Dr. habil. Juliusz Gardawski und Anna Lupienko, Bischof Jerzy Samiec, Leitender Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Bischof Markus Dröge, Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sowie Pfarrer Piotr Gaś, Gemeindepfarrer der Evangelisch-Augsburgischen Kirchengemeinde St. Trinitatis in Warschau:
Am 29. Oktober 2017 fand in der evangelisch-augsburgischen Kirche Sankt Trinitatis in Warschau der zentrale Reformationsgottesdienst zum 500. Reformationsjubiläum statt. Evangelische Christen verschiedener Konfessionen und Nationalitäten dankten Gott fürs andauernde Reformationserbe. Zum ersten Mal hatten die Reformationsfeierlichkeiten einen ökumenischen Charakter und wir freuten uns über die Anwesenheit des Primas von Polen Erzbischof Wojciech Polak, sowie der Vertreter der Mitgliedskirchen des Polnischen Ökumenischen Rates sowie anderer Kirchen.
Schon zu Beginn dieses historischen Gottesdienstes waren wir Zeugen eines bewegenden Ereignisses: Markus Dröge, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, übergab den Nachkommen von Bischof Julius Bursche die von zwei Forschern – Klaus Leutner und Pawel Wozniak – gefundenen Unterlagen, die auf den Beisetzungsort von Bischof Bursche hinweisen und neues Licht auf das Datum und die Umstände seines Märtyrertodes werfen. Wir sind zutiefst berührt, dass es in der Kirche, in der Julius Bursche Diakon, später Gemeindepfarrer war und schließlich in das Amt des Bischofs der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in der 2. Republik Polen eingeführt wurde, in der er Wort Gottes verkündete und die Sakramente verwaltete, zur Überreichung solch einer wichtigen Dokumentation gekommen ist. Gleichzeitig möchten wir uns bei Herrn Leutner und Herrn Wozniak für ihre Entschlossenheit bei der Recherche und ihrer Arbeit bedanken, die sie bei der Auffindung dieser wertvollen Materialien gezeigt haben.
Nach dem Gottesdienst fand im Gemeindehaus der St. Trinitatis Kirchengemeinde ein Treffen von Nachkommen von Bischof Julius Bursche mit Bischof Dröge statt, und zwar in Anwesenheit des leitenden Bischofs der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen Jerzy Samiec und des Gemeindepfarrers Piotr Gas. Bischof Dröge besprach detailliert den Inhalt der überreichten Unterlagen und gab Auskunft zur Gesprächslage zwischen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, den Behörden des Landes Berlin, der Friedhofsverwaltung von Berlin-Reinickendorf sowie dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland. Es wurde vereinbart, dass sämtliche Handlungen bezüglich der Exhumierung von sterblichen Überresten von Bischof Julius Bursche nur im Einvernehmen mit der Familie von Bischof Bursche unternommen werden und dass die beiden evangelischen Kirchen ihre seelsorgerliche Begleitung sowie organisatorische Unterstützung bei der Klärung aller Umstände, die mit dem Tod und der Beisetzung von Bischof Bursche verbunden sind, zusichern werden. In Anwesenheit beider Bischöfe erklärte die Familie von Bischof Bursche ihren festen Willen, dass im Fall des Auffindens einer Urne mit sterblichen Überresten des Bischofs, die Urne zurück in die Heimat des Bischofs verlegt und auf dem evangelisch-augsburgischen Sankt Trinitatis Friedhof in Warschau in der Mlynarskastrasse beigesetzt werden sollte, wo sich derzeit das symbolische Grab des Märtyrerbischofs befindet. Falls die Urne nicht gefunden werden kann, wird die Erde von der Beisetzungsstelle auf dem Berliner Friedhof nach Warschau gebracht werden.
Die Nachkommen der Familie Bursche drückten ihren Wunsch aus, dass die Kirchen – die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen und die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz – mit ihrer Stimme bei der Beisetzungsvorbereitung von Bischof Bursche präsent sind und dabei auch mit Hilfe und Rat dienten.
Bischof Dröge verpflichtete sich im Namen seiner Kirche, jegliche rechtlich-administrative Hilfe zu leisten, damit alle notwendigen Fragen im Blick auf die Durchführung von Exhumierungsarbeiten sowie die Absicherung von Rechten der Familie Bursche bei allen Vorgehensetappen gesichert werden.
Man einigte sich auch darauf, dass am Ort der bisherigen Ruhestätte von Bischof Bursche auf dem Berliner Friedhof ein Gedenkort zur Erinnerung an Bischof Bursche entstehen soll, der im gemeinsamen Gedenken und Gebet Deutsche und Polen verbinden wird. Es ist der Wille der Familie Bursche, der von beiden Bischöfen und der Kirchengemeinde St. Trinitatis unterstützt wird, dass es zur würdigen Beisetzung von Bischof Julius Bursche und zu seinem Gedenken im Kontext seines Dienstes für die Kirche und seine Gläubigen ohne Rücksicht auf nationale Zugehörigkeit kommt. Das Leben und Werk von Bischof Julius Bursche sind prägnante Beispiele evangelischer Verantwortung für Kirche und Welt. Sie sind auch ein Aufruf zum intensiven Engagement für die deutsch-polnische Versöhnung.
Anfang 1933, am Tag der Verkündung von Wahlergebnissen in Deutschland als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, weilte Bischof Bursche in Berlin und war Zeuge eines Nachtmarsches der Nazis mit Fackeln. In einem der Briefe an seine Familie kommentierte Bischof Bursche dieses Erlebnis mit unmissverständlichen Worten des Widerstandes gegen den chauvinistischen Nationalismus. In den von Bischof Dröge im Gottesdienst herangezogenen Worten von Bischof Julius Bursche klangen dramatische Worte des Märtyrers nach, die die Überzeugung von der vergeblichen und zunichte gemachten Arbeit für die Verständigung zwischen Deutschen und Polen zum Ausdruck gebracht hatten. Angesichts des Todes und des allgegenwärtigen Triumphs des Bösen waren die Worte des Bischofs nicht nur wahr, sondern auch verständlich. Heute, über alle nationalen und konfessionellen Grenzen hinweg, wissen wir, dass sich dies dank der göttlichen Zuwendung geändert hat und dass wir mit Dankbarkeit auf das Dialog- und Vergebungskapital zurückblicken können, das man über Jahre hinweg vermehrt hat – beginnend mit dem Stuttgarter Schuldbekenntnis (1945), dem Darmstädter Bekenntnis (1947) über die Ostdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (1965) und den Brief der polnischen römisch-katholischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder (1965) bis zu den Appellen aus den letzten Monaten und Jahren.
Die Entdeckung der letzten Ruhestätte von Bischof Bursche ruft erneut die Erinnerung an die dramatischen Ausmaße des Krieges hervor, an das unfassbare Leiden und an die Macht des Bösen, dem wir als Christen oft in erschrockener Fassungslosigkeit begegnen, aber doch nicht ohne Hoffnung. Wir sind überzeugt, dass die Person von Bischof Julius Bursche, sein Dienst und seine Hingabe nach wie vor das Vorbild der christlichen Entschlossenheit zum Frieden und der Verständigung sind, sowie für Inspiration eines Patriotismus stehen, der frei von Hass gegenüber anderen ist.