04.02.2019
74 Organisationen rufen zur Rettung des Friedensprojekts Europa auf
Berlin, 4. Februar 2019 – Vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 ruft ein breites Bündnis von 74 Organisationen und Institutionen aus neun europäischen Ländern zur Rettung des Friedensprojekts Europa auf. Unter den Unterzeichnenden sind viele Verbände der Friedensbewegung, Kirchen, unter Ihnen die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) sowie kirchliche Organisationen, die Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt und die Umweltorganisation Greenpeace.
Das Bündnis kritisiert die geplanten Milliardeninvestitionen der Europäischen Union in Rüstungsforschung und die Militärkooperationen mit Drittstaaten. Die EU dürfe keine Staaten aufrüsten, die Krieg führen oder Menschenrechte verletzen. Die Förderung des Friedens und der Menschenrechte dürfe nicht der Abwehr von Flucht und Migration zum Opfer fallen.
Angesichts der großen Zahl gewaltsamer Konflikte fordern die Unterzeichner, die EU müsse mehr in gewaltfreie Konfliktbearbeitung investieren. Bis zur Wahl am 23. bis 26. Mai 2019 sind alle Menschen in der Europäischen Union eingeladen, den Aufruf unter www.rettetdasfriedensprojekt.eu zu unterzeichnen.
Anbei finden Sie den vollständigen Text des Aufrufs, eine Liste der 70 unterzeichnenden Organisationen und Institutionen sowie Hintergründe zu den drei Forderungen an das Europäische Parlament.
Pressekontakt
Christoph Bongard, Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD)
Tel: 0221 91 27 32 31, E-Mail: bongard
Aufruf an das Europäische Parlament
Rettet das Friedensprojekt Europa!
Für Frieden. Für Menschenrechte. Für Europa.
Die Europäische Einigung brachte nach dem Zweiten Weltkrieg Versöhnung zwischen Feinden. Damit wurde die Europäische Union weltweit zum Friedensprojekt mit Vorbildcharakter.
Heute brauchen wir dringender denn je eine Europäische Union, die für Frieden und Menschenrechte eintritt – zu Hause und jenseits ihrer Grenzen.
Doch ab 2021 sind Milliardeninvestitionen für die europäische Rüstungsindustrie, gemeinsame Militäreinsätze und noch mehr Grenzsicherung geplant. Die Förderung von Frieden und Menschenrechten droht der Abwehr von Migration und Flucht zum Opfer zu fallen.
Wir sind überzeugt, dass die Europäische Union die Herzen ihrer Bürgerinnen und Bürger nur als Friedensprojekt und nicht als Militärmacht gewinnen wird.
Darum fordern wir die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf: Setzen Sie sich für eine Europäische Union ein, die bedingungslos für Frieden und Menschenrechte eintritt.
Setzen Sie sich dafür ein, dass die Europäische Union am Friedensprojekt Europa festhält und nicht zur Militärmacht wird.
Wir fordern, dass die Europäische Union ihre Stärken als Vermittlerin in Konflikten und als Bündnis für Frieden durch Kooperation und Zusammenarbeit in der Welt ausbaut. Den Europäischen Verteidigungsfonds lehnen wir ab. Der Vertrag von Lissabon verbietet die Finanzierung von Rüstungsprojekten und Militäreinsätzen aus dem Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union. Diese Grundsätze sollten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments verteidigen und stärken.
Lassen Sie nicht zu, dass die Europäische Union zur Abwehr von Flüchtenden und Migration Staaten aufrüstet, die Krieg führen oder Menschenrechte verletzen.
Wir fordern, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten keine Gelder zur Aufrüstung der Armeen und Milizen von Drittstaaten einsetzen. Das Europäische Parlament muss sich gegenüber den Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für die Verschärfung und strikte Einhaltung der europäischen Kriterien für Rüstungsexporte einsetzen.
Stärken Sie die Mittel der Europäischen Union zur Förderung der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und der Menschenrechte.
Wir fordern für den nächsten EU-Finanzrahmen (2021–2027) 7 Milliarden Euro für gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Friedensförderung und 3 Milliarden Euro für die Förderung von Menschenrechten und Demokratie.
Unterzeichnende Organisationen und Institutionen:
Aachener Friedenspreis • act for transformation • Agir pour la paix • Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden • Antikriegshaus Sievershausen • Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier • Arbeitskreis Gehwissen • Arbeitskreis Marburger WissenschaftlerInnen für Friedens- und Abrüstungsforschung • Arbeitsstelle kokon der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern • Associazione di promozione sociale Joint • Berghof Foundation • Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR • Brot für die Welt • Bund für Soziale Verteidigung • Church and Peace • Communität Christusbruderschaft Selbitz • CSSP - Berlin Center for Integrative Mediation • Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg • Dansk International Cultural Youth Exchange • Darmstädter Signal • Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen – Bundesverband • Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen – Landesverbände Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen-Bremen • Ecumenical Forum of European Christian Women • Eine Welt e.V. Leipzig • EIRENE Internationaler Christlicher Friedensdienst • Eirene Niederlande • Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden • Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz • Evangelisch-Methodistische Kirche Deutschland • forum crisis prevention • Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden • Forum Ziviler Friedensdienst • Frauen gegen Atomkraft • Frauennetzwerk für Frieden • Friedensforum Duisburg • Friedensinitiative Nottuln • Friedenskreis Pankow • Friedenswerkstatt Mutlangen • Friends World Committee for Consultation – Europe and Middle East Section • Gemeinde Heilig Kreuz-Passion • Gewaltlos leben. Arbeitsgemeinschaft in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland • Greenpeace • ICJA Freiwilligenaustausch weltweit • Initiative Mexiko • Internationaler Versöhnungsbund – Regionalgruppen Mainz, Cochem-Zell • Internationaler Versöhnungsbund Österreich • Kerk en Vrede • Konstanzer Friedensinitiative • Martin-Niemöller-Stiftung • Mennonite Central Commitee West Europe • Norddeutsches Netzwerk Friedenspädagogik • Nürnberger Evangelisches Forum für den Frieden • Ohne Rüstung Leben • Ökumenische Konsultation für Gerechtigkeit und Frieden • Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit • Ökumenisches Forum Christlicher Frauen Europa • Orthodox Peace Fellowship • Pais • Partner Südmexikos • pax christi Deutsche Sektion • Pax Christi International • pax christi Rhein-Main • peace brigades international – Deutscher Zweig • Plattform Zivile Konfliktbearbeitung • Quäker-Hilfe Stiftung • Start with a Friend • Stiftung die schwelle • Stiftung Weltethos • Swedish Fellowship of Reconciliation • urgewald • Weltladen Konstanz – Aktionskreis <Dritte Welt>
Hintergrund:
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union verhandeln 2019 über den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027. Diese Entscheidung wird die europäische Politik in den nächsten Jahren maßgeblich prägen.
Es ist zu befürchten, dass das Parlament und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sich dem Druck rechtspopulistischer Bewegungen beugen und in Zukunft noch mehr in die Abschottung der Außengrenzen und in militärische Sicherheitspolitik investieren: Ab 2021 sind neue Milliardenausgaben in gemeinsame Rüstungsprojekte, mehr gemeinsame Militäreinsätze und der Ausbau der Grenzsicherung geplant.
Die Förderung des Friedens und der Menschenrechte soll eingeschränkt werden, und sie droht vor allem zur Migrationsabwehr instrumentalisiert zu werden. Im Entwurf der Europäischen Kommission von Juni 2018 für den Finanzrahmen sind nur 1 Milliarde Euro statt bislang 2,3 Milliarden Euro für gewaltfreie Konfliktbearbeitung vorgesehen.
Warum die Europäische Union nicht den Weg zur Militärmacht einschlagen sollte:
Der Europäische Verteidigungsfonds soll mit 13 Milliarden Euro für Rüstungsforschung und die Entwicklung neuer Waffensysteme ausgestattet werden. Darüber hinaus sollen 6,5 Milliarden Euro für militärische Mobilität, vor allem für schnelle Truppenverlegungen in Europa, zur Verfügung gestellt werden. Dieser Einsatz von Mitteln aus dem Gemeinschaftshaushalt für den Verteidigungsfonds würde den endgültigen Abschied von der Europäischen Union als ziviles Friedensprojekt bedeuten.
Im zukünftigen Gemeinschaftshaushalt würde mehr als zehnmal mehr in Rüstungsförderung investiert als in Friedensförderung. Es ist zu befürchten, dass die milliardenschwere Subventionierung der europäischen Rüstungsindustrie aus dem Fonds zu noch mehr Waffenexporten führen wird.
Der Europäische Verteidigungsfonds verstößt gegen den Vertrag von Lissabon. Dieser verbietet die Finanzierung von Rüstungsprojekten und Militäreinsätzen aus dem Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union.
Warum die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten keine Staaten aufrüsten sollten, die Krieg führen oder Menschenrechte missachten:
Aus dem Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union und mit einer neuen außerbudgetären „Europäischen Friedensfazilität“ sollen gemeinsame Militäreinsätze der EU und die Ausrüstung von Armeen in Kriegs- und Krisengebieten unterstützt werden, zum Beispiel zur Migrationsabwehr. Damit würden die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten de facto ihre eigenen Regeln für Rüstungsexporte unterlaufen.
Der Europäische Rechnungshof kritisierte, die Ertüchtigungsprogramme, zum Beispiel in Mali und Niger, hätten keine nachhaltigen Ergebnisse gezeigt. Die Herausgeber und Herausgeberinnen des deutschen Friedensgutachtens 2018 warnen vor erheblichen Risiken dieser Programme für die Menschenrechte. Sie könnten zu noch mehr Gewalt führen, statt sie einzudämmen.
Warum die Europäische Union gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Menschenrechte in Zukunft noch stärker unterstützen sollte:
Die Europäische Union ist eine der wichtigsten finanziellen Unterstützerinnen von gewaltfreier Konfliktbearbeitung und Menschenrechten weltweit. Viele zivilgesellschaftliche Friedens- und Menschenrechtsorganisationen sind mehr denn je auf diese Unterstützung angewiesen. Denn die Zahl der gewaltsamen Konflikte steigt wieder an, Menschenrechte und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger geraten in vielen Ländern unter Druck.
Bedeutung und Wirksamkeit der Instrumente der EU für Stabilität und Frieden sowie für Demokratie und Menschenrechte wurden erst 2017 in Gutachten bestätigt.
Die Europäische Union sollte sich nicht an der globalen Aufrüstungsspirale beteiligen, sondern ihr wichtigstes Ziel verfolgen: „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“