30.08.2024
Bischof Stäblein zu den bevorstehenden Wahlen und warum die AfD für ihn undemokratisch ist
Berlin, 30. August 2024
Bischof Stäblein, am Sonntag wird in Sachsen und Thüringen gewählt. Laut Prognosen liegt die AfD vorn. Sie haben sich immer wieder klar positioniert, dass AfD und christlicher Glaube für Sie nicht zusammen gehen. Was möchten Sie den Menschen sagen, die ihr Kreuz bei dieser Partei machen wollen?
Überlegt euch unbedingt, ob ihr mit den Auswirkungen einer solchen Wahl am Ende wirklich leben wollt und könnt. Wenn Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit akzeptabel werden, dann verändert das das bisher so offene, menschliche Gesicht unserer Gesellschaft. Ich nehme wahr, dass viele Menschen ihr Kreuz bei der AfD aus Protest machen, weil sie unzufrieden sind mit den oft schleppenden oder auch gar nicht erkennbaren Problemlösungen durch die, die in der Verantwortung stehen. Dieser Protest und diese Möglichkeit zum Protest ist wichtig, es ist eine der Grundlagen unserer Demokratie, aus der Opposition heraus Politikvorschläge zu entwickeln und darauf zu setzen, dass sie umgesetzt werden. Nicht hinnehmbar ist es, wenn sich dieser Protest mit dem Wunsch nach einem Sturz der Demokratie verbindet. Opposition wählen ist urdemokratisch, Systemumsturz fantasieren ist undemokratisch und nicht hinnehmbar. Christliche Grundhaltungen setzen auf Teilhabe, auf Achtsamkeit, auf solidarisches Miteinander und füreinander einstehen. Sie setzen auch auf Differenzierung, zugleich auf Ausgleich, auf Fragen, Hören und Respektieren. Das alles ist mit Hass und Hetze der AfD in keiner Weise vereinbar. Deswegen sind wir an diesem Punkt so klar.
Welche Auswirkungen hätte es für die Kirchen, falls die AfD in Regierungsverantwortung käme?
Das lässt sich für die Kirchen gar nicht so leicht vorhersagen. Viele Akteure und Funktionäre der AfD machen ja immer wieder laut, wie wenig sie von den Grundhaltungen der Kirchen – Offenheit, Einsatz für Geflüchtete, solidarisches Miteinander, Liberalität – halten. Sie diffamieren die Kirchen, wo sie können. Aber das ist gar nicht meine erste Sorge. Die viel größere Aufgabe würde es dann sein, an der Seite jener zu stehen, die kulturell und sozial von der AfD ausgegrenzt werden bzw. würden.
Wie stehen Sie zum BSW? Ist es für Sie wählbar?
Das BSW ist für mich in vielerlei Hinsicht noch eine Blackbox. Vieles von dem, was ich höre, klingt populistisch. Aber es ist nicht meine Aufgabe, politische Parteien oder Bündnisse zu bewerten. Ich sehe die kirchliche Rolle nicht in einem politischen Wächteramt im Sinne der Wahlempfehlung bzw. Nicht-Wahlempfehlung. Wir warnen als Kirche nur vor Extremismus und Menschenfeindlichkeit. Es geht nicht um die Einordung einzelner Parteien. In der AfD hat sich durch ihre die fortschreitende Radikalisierung ein menschenfeindlicher Extremismus in weiten Teilen durchgesetzt. Das kann ich beim BSW nicht erkennen und ist so auch in keiner Weise vergleichbar, nicht im Ansatz. Wäre es anders, würden wir immer wieder genauso sagen: Christlicher Glaube und christliche Werte sind mit Menschenfeindlichkeit niemals vereinbar.
Der AfD sagt man nach, dass sie ein hohes Potential hat, zu spalten und zu diffamieren, aber kaum Ideen oder Vorschläge für Lösungen unserer komplexen Probleme hat. Überhaupt hat man den Eindruck, die Polarisierung nimmt zu und verhindert konstruktive Debatten. Haben Sie eine Vision, was in den nächsten Jahren geschehen muss, damit wir als Gesellschaft in die Lage kommen, die nötigen Veränderungen anzugehen?
Die einfachen Rezepte gibt es an diesem Punkt vermutlich nicht. Ich sehe, dass immer mehr Menschen in der politischen Verantwortung den direkten Draht und Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern suchen – in den unterschiedlichsten Formaten, von Bürgerdialogen angefangen. Ich bin überzeugt, dass das ein richtiger Weg ist. Wir müssen reden, reden, reden – und dabei zuhören, zuhören, zuhören. Wertschätzende und offene Kommunikation ist in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, da gilt es gegenzusteuern, gerade in der komplexer gewordenen Welt, in der es keine einfachen Lösungen für Probleme gibt.
Immer öfter wird von verschiedenen Seiten die Einrichtung von Bürgerräten vorgeschlagen, zuletzt hat das der Soziologe Steffen Mau, dessen Überlegungen zu Triggerpunkten und anderem ich sehr schätze, in die Debatte eingebracht. Es würde aus meiner Sicht die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern in die Komplexität der zu lösenden Herausforderungen stärken, die Erfahrung von Wirksamkeit und Beteiligung in unserer Demokratie erhöhen. Und den Gestus der Dauerempörung abschwächen. All das scheint mir wichtig. Wir brauchen wieder mehr Mut und Gelassenheit, andere Positionen auszuhalten und gut miteinander streiten zu können.
Interview: Amet Bick