Drei Fragen – drei Antworten

26.08.2024

Bischof Stäblein zur Gewalttat in Solingen

Berlin, 26. August 2024

Bischof Stäblein, die schreckliche Gewalttat in Solingen am Samstagabend erschüttert das ganze Land. Ein junger Syrer, der hier einen Asylantrag gestellt hatte, hat auf einem Fest mit dem Messer wahllos auf Menschen eingestochen. Drei starben, acht wurden zum Teil schwer verletzt. Was war Ihr erster Impuls, als Sie davon gehört haben?

Diese Gewalttat ist ein Schock, mein erster Impuls war der Gedanke an die Menschen, die der Täter angegriffen hat. Ihr Leid, ihr Schmerz, die Trauer der Angehörigen, die Schwerverletzen, dazu die vielen, die Zeuge dieses furchtbaren Verbrechens geworden sind – all das ist für mich zuerst da. Und dazu der Gedanke an die Helfenden, die Ärztinnen und Ärzte, die um das Leben der Schwerverletzten kämpfen. Mein Impuls in der ganzen Ohnmacht und dem Schmerz ist dann, das vor Gott zu bringen – dass Gott das hört und denen, die da sind und tun, was zu tun ist in aller Hilfe, Kraft gibt.

Bereits am Tag danach setzte eine heftige Debatte über die Asylpolitik in Deutschland ein. Der Täter hätte eigentlich vor einem Jahr abgeschoben werden sollen, das misslang. Denken Sie, die Asylpolitik muss verschärft werden? Steht das Bedürfnis nach Sicherheit hier gegen die Pflicht, Schutzsuchenden in Deutschland Asyl zu gewähren?

Es ist verständlich, dass Ohnmacht und Schmerz die Frage nach oben bringen, was wir tun können, tun müssen. Und natürlich auch die Frage, was falsch gewesen ist, wo wir Fehler begangen haben. Völlig klar ist, dass hier mit der ganzen Entschlossenheit der Gesetze und Regeln unserer Gesellschaft gehandelt und der Täter zur Rechenschaft gezogen wird.
Es ist Sinn und Aufgabe des Staates, vor solchen Verbrechen zu schützen – mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Gerade wo und wenn es um Terror geht, in diesem Fall islamistischen Terror. Wo Gesetze dazu verschärft werden müssen, gilt es zu prüfen – in aller Klarheit und Rationalität. Überstürzung ist da selten ein guter Ratgeber, Entschlossenheit sehr wohl. Wir leben in einem Land, das Freiheit und Offenheit und auch das Gewähren dieser Liberalität als hohes Gut lebt und wahrt. Das sollten wir uns nicht nehmen lassen. Ein menschliches Antlitz und der Schutz für Menschen, die woanders verfolgt werden, gehört dazu. Wir haben es hier offenkundig mit einem Täter zu tun, der bereits hätte abgeschoben werden sollen. Da muss man zunächst fragen, warum das nicht geschehen ist.
Ich glaube, wir brauchen jetzt eine ehrliche, offene Debatte über das, was dran ist, was den Menschen Angst macht, was also zu tun ist. Allerdings sollten wir diese Debatte so führen, dass wir sie nicht auf dem Rücken der Geflüchteten und Migranten austragen, auch nicht auf dem Rücken von Muslimen. Auch sie haben jetzt Angst vor pauschalen Verurteilungen und Anfeindungen. Die Allermeisten, die in unser Land geflohen sind, sind gut integriert und leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft. Mit Pauschalurteilen ist niemand geholfen, gerade weil es um unsere Sicherheit geht.

In wenigen Tagen wird in Sachsen und Thüringen gewählt, etwas später auch in Brandenburg. Glauben Sie, dass die Tat in Solingen die Wahlen entscheidend beeinflussen wird?

Das lässt sich schwer sagen. Die Diskussion, die wir jetzt führen, ist wichtig und zentral, insofern werden die Menschen auch hier genau gucken, wer welche Antworten gibt. Ich hoffe und vertraue, dass die Menschen dabei auch gut unterscheiden: Wer instrumentalisiert das Leid und den Schrecken für populistische Parolen? Und wer ist an der Lösung all jener Fragen interessiert, die jetzt beantwortet werden müssen, damit sich so eine furchtbare Gewalttat nicht wiederholt. Das ist, meine ich, das erste, was wir den betroffenen Menschen und uns als Gesellschaft schulden.

Interview: Amet Bick

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